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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Literaturentochter T., 16.05.2024

    Als Buch bewertet

    »Die Frauen liegen da wie hingeworfen, ihre Körper scheinen keinem Muster zu folgen. Sie sehen aus wie etwas Zerschmettertes. Aber verletzt sind sie nicht« (S. 96).

    In »Alle so still« geht es um Elin, Nuri und Ruth – drei völlig unterschiedliche Personen, die sich zu Beginn fremd sind, sich aber innerhalb einer Woche durch eine Ausnahmesituation schnell und intensiv kennenlernen. Elin ist Anfang 20, Influencerin und wird durch einen körperlichen Übergriff völlig aus der Bahn geworfen. Durch ihre Social Media Karriere wertet Elin sich auf und macht sich gleichzeitig zu einer Ware, die ständig Kommentare und Bewertungen Anderer aushalten muss. Nuri ist 19 Jahre alt, hat die Schule abgebrochen und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, um wenigstens von der Hand in den Mund leben zu können. Ein richtiges Zuhause und stabile Bezugspersonen hat er nicht, da seine Eltern nicht in der Lage sind, Geborgenheit und Liebe zu spenden. Ruth ist Mitte 50 und arbeitet als Pflegefachkraft in einem Spital. An ihrem Arbeitsplatz ist sie die gute Seele der Station, dadurch aber auch maximal überlastet. Sie springt ständig für andere ein, damit der Dienstplan abgedeckt wird, da Zuhause sowieso niemand auf sie wartet. Sobald Ruth das Krankenhaus verlässt, lebt sie zurückgezogen – vom Schicksal im Stich gelassen – ein einsames Leben. Innerhalb der Geschichte kommen alle drei Figuren an ihre Grenzen, hinterfragen sich, ihr Umfeld und das System, in dem sie sich aufhalten. Ihre Entwicklung ist dabei stark und es ist ein deutliches Empowerment spürbar. Der Handlungszeitraum des Buchs beträgt nur acht Tage, daher ist die Entwicklung von Elin, Nuri und Ruth extrem komprimiert, nachvollziehbar beschrieben, allerdings auf die Wirklichkeit bezogen eher unrealistisch.



    Mareike Fallwickl schafft in »Alle so still« schöne Alltagsmomente für die Protagonist:innen, doch gleichzeitig kann ich mich dabei nicht entspannen. Die Momente sind bittersüß, da ich ständig auf der Hut bin und auf den großen Knall warte. Bisher konnte mich kein Fallwickl-Buch so richtig abholen, da mir die Situationen zu überspitzt dargestellt wurden. Bei »Alle so still« geht es mir nicht so, hier steige ich von Beginn an, bin gefesselt, vertieft in die Geschichte. Wie im Sog steige ich in eine Story ein, die mich am Ende wütend und traurig wieder ausspuckt – voller Mitgefühl für Elin, Nuri und Ruth.

    »Die Mutter hatte gearbeitet für den Vater, dann haben die Eltern ihn [Nuri] gezeugt, er ist sich nicht sicher, ob es das ist, was die Mutter wollte. Dann hat der Vater aufgehört, sie zu bezahlen, obwohl sie immer noch dieselbe Arbeit machte« (S. 91).

    Der Schreibstil lässt mich durch die Seiten fliegen. In kurzen Sätzen bringt Mareike Fallwickl Situationen und die Emotionen der Protagonist:innen auf den Punkt. In Gesprächen und Gedanken arbeitet die Autorin hochbrisante Themen ein, wie beispielsweise Mental Load, Misogynie oder Care-Arbeit – dabei kommt die Kritik am bestehenden System nicht zu kurz. Unabhängig von den Erzählungen über Elin, Nuri und Ruth liefert Mareike Fallwickl kurze Kapitel aus einer besondern Sicht: die Pistole, die Gebärmutter und die Berichterstattung melden sich abwechselnd zu Wort, bringen Fakten ein und äußern auch hier Systemkritik! »Alle so still« fordert mich emotional beim lesen, es werden viele Facetten des Lebens beschrieben, vor allem Ruths Erzählungen gehen mir nah, da ich mich in ihren Berufsalltag nur zu gut einfühlen kann.


    Für mich ist dieser Gesellschaftsroman ein must-read, der mich komplett überzeugen und aus dem ich viel mitnehmen konnte. Angelehnt ist der Kern der Geschichte an Streik bzw. isländischen Frauenruhetag in den Siebzigern. In »Alle so still« beschreibt Mareike Fallwickl, je nach Lesart, eine Utopie und Dystopie gleichermaßen.


    CN: Patriarchale Strukturen, Tod, Trauer, Ableismus, Homofeindlichkeit, sexuelle, physische und psychische Gewalt.

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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Gisela S., 06.05.2024

    Als eBook bewertet

    Die große Solidarität unter Frauen

    Es ist sehr selten, dass mich ein Buch mit solcher Wut im Bauch packt. Das hat Mareike Fallwickl einfach drauf. Sie spricht aktuelle Themen an und zeigt uns eine Zukunftsversion davon. Oftmals ziemlich überspitzt; aber dennoch leider realistisch. Wir wissen alle, was Frauen für die Allgemeinheit leisten. Wir wissen alle, dass Frauen in vielen Bereichen immer noch unterbezahlt sind. Krankenschwestern und Altenpflegerinnen können ein Lied davon singen.
    Ruth ist ein richtig guter Vorzeigecharakter in der Geschichte. Aufopernd arbeitet die Krankenschwester in einem Krankenhaus, welches zu 75% unterbesetzt ist. Ihre Mutter Iris ist mit dem Arzt Peter verheiratet. Die betagte Frau ist als Arzthelferin in der Praxis ihres Mannes angestellt.
    Alma ist die zweite Tochter von Iris, die mit der Familie kaum noch Kontakt hat. Alma führt ein Spa Hotel. Ihre Tochter Elin hält sie viele Jahre von ihrer Oma und Tante fern. Doch an einem heißen Junitag erhält Elin den Auftrag von ihrer Mutter, nach ihrer Oma zu schauen.
    Wir erleben das Geschehen abwechselnd von verschiedenen Personen. Die Männer schneiden sehr schlecht ab. Eine Pistole und Gebärmutter kommen auch immer wieder zu Wort. Das fand ich richtig genial. Erst zum Ende konnte ich beides zuordnen.
    Der Protest kommt für die Männer ziemlich gruselig daher. Sämtliche Frauen liegen auf dem Boden in einvernehmlichen Schweigen. Frauen haben ihre Arbeit niedergelegt. Das Schweigen hat somit eine Stimme bekommen. Laut, und von Gewalt geprägt, sind die Reaktionen der Männer. Elin lernt ihre Oma und Tante in einer Situation kennen, in der Frauen solidarisch für eine Sache kämpfen. Still. Ohne die Stimme zu heben. Sie fühlt sich bei ihrer Oma auf Anhieb geborgen.
    Doch nicht nur Frauen haben unter dem Kapitalismus zu leiden. Nuri ist ein junger Mann, der einem wirklich sehr zu Herzen geht. Es gibt mehrere Männer, die den Frauen wohlgesinnt sind.
    Was Mareike Fallwickl geschrieben hat, überzeugt mich von Anfang bis Ende. Wir stecken doch schon mittendrinnen. Falscher Optimismus ist längst fehl am Platz.
    Der Kapitalismus wächst. Die Carearbeit ist eine emmens wichtige Sache, die überwiegend von Frauen gestemmt wird. Ohne die der Kapitalismus sterben würde. Ob bei den beiden Weltkriegen oder im Heute, in Krankenhäusern oder anderen Pflegeeinrichtungen, sind überwiegend Frauen tätig. Frauen haben von jeher gepflegt, getröstet und Leben gerettet. Sind ehrenamtlich sehr engagiert.

    Ich habe seit langem eine große Wut im Bauch. Danke Mareike Fallwickl. Sie haben meiner Wut eine Stimme gegeben. Ich bin richtig glücklich, über den Mann an meiner Seite, der mich seit vielen Jahren bei all meinen Tätigkeiten tatkräftig unterstützt.
    Von mir eine absolute Empfehlung, mit einer kleinen Bitte: Ich hätte da noch ein paar Fragen. Bekomme ich im nächsten Buch die Antworten?

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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Christine K., 11.04.2024

    Als Buch bewertet

    „Nicht mehr flüchten, nicht mehr weichen ... wir bleiben. Wir fordern den Raum ein, der uns zusteht.“


    „Die Unbeugsamkeit. Die Courage. Der Wille, sich die Freiheit zu nehmen“

    Dass Mareike Fallwickl eine der ganz großen weiblichen Stimmen unserer Zeit ist, ist mir schon lange klar. Spätestens seit „Die Wut die bleibt“ bekommt sie die Aufmerksamkeit, die sie mehr als verdient. Ich fand ALLE ihre bisherigen Bücher einfach großartig! Umso mehr habe ich mich auf diese Neuerscheinung gefreut und hoffe, sie schlägt da ein, wo es weh tut. Denn sie enthält eine wichtige Botschaft. Es freut mich sehr, wenn dieses Buch auch Männer lesen, denn es geht uns alle an - es geht nicht um Männer gegen Frauen, es geht um eine Veränderung. Und die kann nur passieren, wenn alle an einem Strang ziehen, unabhängig vom Geschlecht.

    Die Geschichte von Elin, Nuri, Iris und Ruth hat mich sofort in den Bann gezogen. Es entwickelt sich eine unfassbare Sogwirkung und man kann das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Ganz besonders gut fand ich auch die Kapitel mit der Überschrift „Die Gebärmutter“, auch „Die Berichterstattung“ und „Die Pistole“. Ganz großes Kino!
    Das Buch bekommt von mir klare 5 Sterne, und die sind noch lange nicht genug.
    „Und alles so still“ ist ein Buch, das sicher noch lange nachhallen wird - unbedingt lesen!!!


    „Wenn einer dich niederhaut und du aber wieder aufstehst“, sagt Nuri leise zu Elin, „wer von euch beiden ist dann stärker?“

    „Nicht mehr flüchten, nicht mehr weichen“, antwortet Femme, „wir bleiben. Wir fordern den Raum ein, der uns zusteht.“

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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Shari77, 02.05.2024

    Als Buch bewertet

    Ein kluges, starkes Buch zum Thema Diskriminierung und Ausbeutung

    Sprachlich und wortgewandt hat hier Mareike Fallwickl einen großartigen Roman geschrieben.
    Der Schreibstil ist aus meiner Sicht nicht nur Außergewöhnlich sondern auch einmalig! Durch Buchstaben direkt in die Seele des Lesers, dass schafft sonst keiner. Direkt und Emotional fliegen
    die Seiten hier nur so dahin.
    Im Buch Und alles so still geht es um vier unterschiedliche Charaktere. Elin ist Social Media Star, Nuri als Arbeiterkind mit Migrationshintergrund, Ruth die Krankenpflegerin. Alle drei sind gefangen im System auf unterschiedliche Weisen.
    Was passiert wenn diese Frauen einfach nicht mehr funktionieren? Das erfahren wir in dem Roman, wenn an diesem Sonntag alle Frauen reglos auf der Straße liegen. Eine sehr interessante und provokative Idee, ein Gedankenexperiment, welches beim Lesen auch nicht aufhört.
    Es geht um die Bedeutung der Geringschätzung, Diskriminierung und Ausbeutung von Frauen. Ein feministisches Anliegen, welches sich durch die Seiten zieht.

    Der Spannungsbogen zieht sich von Kapitel zu Kapitel, ein wirklicher Lesespaß, sofern man bei dem Thema von Spaß reden kann.

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  • 5 Sterne

    Kaffeeelse, 03.06.2024

    Als Buch bewertet

    Und alle so still. Ja, genauso ist es. Wir sind still. So still. Kochen innerlich. Aber sind still. Entsetzlich still!

    Schon mit "Die Wut, die bleibt" hatte mich Mareike Fallwickl getroffen, tief getroffen. Denn dunkle Phasen sind mir bekannt. Ich weiß, was dies mit einem macht, wie schwer es ist dagegen zu steuern, wie schwer die Schritte der Akzeptanz und der Aktion sind. Und natürlich weiß man um die Ursachen. Kämpft dagegen an, in den möglichen Rahmenbedingungen natürlich. Verändert, sinniert, erkennt und entdeckt sich neu. Gewinnt und scheitert. und man macht weiter. Doch dies geht nur bis zu einem gewissen Punkt. Denn dies hat mit einer Selbstreflexion zu tun. Und dem Mut, dem Willen und der Möglichkeit zur Veränderung.

    Aber genauso hat dies auch mit einer gesellschaftlichen Veränderung zu tun. Und dies zielt auf das uns bestimmende Patriarchat. Denn dieses System ist die Ursache vieler Probleme in der heutigen Zeit. Probleme von Männern und Frauen wohlbemerkt. Denn dieses Höher-Schneller-Weiter macht ja mit uns allen etwas. Wir funktionieren in diesem Höher-Schneller-Weiter. Um über die Runden zu kommen. Natürlich. Aber auch, weil dieses Höher-Schneller-Weiter einen gewissen Reiz hat, wir davon profitieren, wir alle in dieser westlichen Welt. Denn das sollte man sich klar machen. Es sind nun mal nicht die, es sind wir. Wir alle. Denn wir alle machen dieses System, dieses Patriarchat erst möglich. In dem wir funktionieren und in dem wir verbrauchen.

    Mareike Fallwickl schaut in "Und alle so still" auf diesen imaginären Punkt in der Zukunft, in dem wir eben nicht mehr funktionieren. Sie schaut an diesen Punkt des Aufbegehrens. Ein Aufbegehren in der Form der Verweigerung. Ein interessanter Punkt! Denn gerade diese Care-Berufe sind ja von der Unterdrückung im Patriarchat besonders betroffen, wie Covid ja so anschaulich demonstrierte. Und ja. Es wurde geklatscht. Toll!?!? Aber was hat sich sonst noch getan? Außer, dass die Anforderungen und der Druck weiter steigen. Und das tangiert mich schon sehr. Denn auch ich bin einer dieser Care-Arbeitenden, eine dieser Beklatschten. Was also tun? Aufbegehren wie im Buch. Aber im Land des Untertans. Funktioniert dies bei uns? Dies muss sich jede/r selbst fragen. Dieses Buch legt den Finger tief in eine offene Wunde. Und dafür liebe ich dieses Buch und dich, liebe Mareike!

    Denn wie funktionieren Veränderungen? Sicher nicht in dem man weiter abduckt und weiter funktioniert. Verbale Veränderungsgesuche zum Thema Frauenrechte und Gleichstellung gab es schon viele. Sie haben ja auch Veränderungen gebracht. Aber halt nur kleine. Wann kommen dann die großen Veränderungen? Muss es dazu wirklich erst zu revolutionsähnlichen Zuständen kommen wie in diesem Buch? Ich hoffe dies ja nicht!

    Ein interessantes und ein mich anzündendes Buch!

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  • 5 Sterne

    Anita, 04.05.2024

    Als Buch bewertet

    Worum geht es?
    Von jetzt auf gleich entscheiden sich Frauen, die Care-Arbeit ruhen zu lassen. Die Gesellschaft und das Land sind nicht gewappnet, was das für Auswirkungen haben wird.

    Worum geht es wirklich?
    Zusammenhalt, Befreiung und Mut.

    Lesenswert?
    Ja, für mich war die Lektüre sehr bewegend und auch bereichernd. Zwischendrin gab es Situationen, denen ich nicht so gut folgen konnte und meine Bewertung hat sehr geschwankt.
    Schlussendlich hat mich das Buch aber auf so vielen Ebenen überzeugt und auch berührt.
    Die drei sehr unterschiedlichen Protagonist*innen fand ich spannend und gut gewählt. Es war schön, dass hier verschieden Altersgruppen repräsentiert wurden - was übrigens für das gesamte Buch gilt. Die Autorin spricht echt viele Themen an: Es geht um Carearbeit, um Pflege, um unterdrückende Familienstrukturen, um toxische Männlichkeit und Gefühle empfinden dürfen. Über allem steht die Frage, was passiert, wenn Frauen ihre Arbeit niederlegen, wenn plötzlich die Arbeit in vielen prekären Berufsfeldern nicht mehr ausgeführt wird. Was passiert im Krankenhaus, was mit den Patient*innen? Die Autorin beschreibt hier in wenigen Szenen das dramatische Ausmaß. Spannend, dass also eine Gruppe eigentlich so viel Macht hat, diese aber real nicht umgesetzt oder genutzt wird. Beispielhaft wird mehrmals Island angesprochen, wo die Frauen tatsächlich für einen Tag ihre Arbeit niederlegten und einfach streikten. Selbstverständlich hat auch die Arbeit von Männern einen großen Wert in der Gesellschaft, dieser wird jedoch allgemein anerkannt und man ist sich dessen bewusst.
    In diesem Buch spielen die Frauen und ihre Arbeit eine Rolle, bzw. auch die generelle Arbeitskraft in bestimmten Berufsgruppen. Eine der Hauptfiguren ist ein junger Mann, der mehrere Jobs annehmen muss um genug Geld zum überleben zu verdienen, dessen Arbeitskraft ausgebeutet wird und der ebenfalls versucht sich von der Last des Patriarchats zu befreien.
    Sprachlich hat mir das Werk gut gefallen, die geschilderten Szenen sind so eindrücklich und teilweise erdrückend. Stellenweise sehr emotional und haben beim Lesen viel aufgewühlt.
    Die Autorin erklärt dabei viele Dinge nicht, sondern lässt sie einfach am Rande einfließen. Aufbauend ist hierbei vor allem die Sicht auf Freundinnenschaft und Loyalität unter Frauen. Extrem bereichernd, dass sich die Autorin hier nicht gängiger Klischees bedient.
    Ich finde das Buch sehr klug und voller wichtiger Themen. Kann man jedem Menschen empfehlen, da man viel dabei mitnehmen kann oder einfach nur leichte Denkanstöße bekommt.

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  • 5 Sterne

    Katharina G., 25.04.2024

    Als Buch bewertet

    "Wenn Frauen sich nicht länger unterdrücken lassen, daß wirklich nicht mehr zulassen, wenn sie einander bestärken und unterstützen, kann womöglich endlich Gleichberechtigung entstehen. Das Grundgefühl zwischen Frauen ist Liebe, hat Sunny gesagt." Aus "Die Wut die bleibt." Von Mareike Fallwickl s.372

    Dieses Zitat aus Marieke Fallwickls Roman aus dem Jahr 2022 beschreibt für mich sehr gut worum es im aktuellen Roman "und alles so still" geht.
    Was geschieht wenn Frauen sich verweigern, sich wehren, sich widersetzen. Diese Fragen versucht Mareike Fallwickl in ihrem neuen Buch zu beantworten und das meiner meinung nach Grandios. Was als stiller protest beginnt wird immer stärker und mächtiger.

    Auf eine meisterhaft schonungslose Art legt sie nicht nur einen Finger sondern gleich beide Hände in die Wunden, spricht über sexualisierung, carearbeit und Emanzipation.
    "Die Erzieherinnen im Kindergarten: Frauen. Die Lehrerinnen in der Grundschule: Frauen. In sämtlichen Filmen und Serien und Büchern sind die Mütter für alles zuständig. So wird uns die Welt erzählt, es ist unmöglich, davon nicht geprägt zu werden." S.292

    Dieses Buch ist wie schon "die Wut die bleibt" ein Aufruf hinzusehen auch oder gerade weil es wehtut und wirkt hierbei wie eine Fortführung der im vorgängerroman von Mareike Fallwickl aufgegriffenen Gedanken. Allerdings wird hier nicht mit Gewalt auf Gewalt reagiert sondern durch Verweigerung seitens der Frauen versucht eine Art stillstand zu erzwingen was ich sehr spannend finde.

    Immer wieder lässt die Autorin ihre ProtagonistInnen aus deren Lebenssituation heraus erzählen. Ihr Schmerz, ihre Wut und auch ihre Solidarität, ihre Würde, auch der Kampf nach eben jener und ihr Zusammenhalt werden total authentisch wiedergegeben.
    Was ich auch sehr spannend fand ist die Figur von Nuri einem jungen Mann, der versucht sich selbst zu finden und dabei daran zu kauen hat das die Welt ihm sein Recht auf Sanftheit abspricht wodurch der Roman nochmal eine weitere Ebene bekommt.

    Das Buch hat durchaus einige triggerwarnungen verdient ist jedoch ungemein wichtig, lesenswert, interessant und auf gute weise aufwühlend. Ein grandioses Anschreiben gegen Ungleichheit und für mehr Sichtbarkeit, Gleichberechtigung und selbstermächtigung.

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  • 5 Sterne

    Adele, 30.04.2024

    Als Buch bewertet

    Die Wegwerfmenschen - Nicht gehört, nicht gesehen, nicht geachtet

    Elin, Ruth, Alma, Nuri. Vier Personen und jede leidet auf jeweils eigene Art unter den patriarchalen Strukturen, der Diskriminierung und Ausbeutung in der Gegenwartsgesellschaft. Während die junge Elin als Social Media Star an der hohlen Selbstdarstellung zweifelt und Nähe und Anerkennung in kurzen sexuellen Abenteuern sucht, bekommt Nuri jeden Tag zu spüren, was es als Arbeiterkind mit Migrationshintergrund bedeutet zu den nicht privilegierten Klassen in der modernen kapitalistischen Dienstleistungsökonomie mit zum Teil nicht mal rudimentärer sozialer Absicherung zu gehören. Ruth wiederum bekommt als Krankenpflegerin täglich die Konsequenzen eines Gesundheitssystems zu spüren, in dem echte Fürsorge und menschenwürdige Pflege nicht honoriert wird, im Gegenzug jedoch das Sparen auf Kosten von Patient:innen und dem Personal. Der Personalmangel in der Pflege wird so mit allen Konsequenzen für Patientinnen und Pflegekräfte bildlich herausgearbeitet.

    Was die Protagonist:innen eint ist Einsamkeit und eine Verzweiflung an den Zumutungen, die dieses System an jeden einzelnen von ihnen und letztlich uns alle stellt. Doch wie dem entkommen? Wie kann Veränderung gelingen? Die Autorin skizziert im Roman hierzu ein mögliches Szenario und setzt dieses auch sprachlich hervorragend um.

    Gekonnt buchstabiert Mareike Fallwickl die Bedeutung von Systemrelevanz literarisch aus und führt uns damit vor Augen was tatsächlich passiert, wenn all die als selbstverständlich wahrgenommenen Tätigkeiten von Frauen im Privaten wie im Beruflichen nicht erledigt werden. Dabei beweist sie einen sensiblen Blick nicht nur auf Sexismus und Misogynie sondern ebenso auf all die Zumutungen eines harten Arbeiter:innenlebens.

    Und alle so still - ist das Gegenteil seines Titels, denn still ist dieser aufwühlende, emanzipatorische Roman sicher nicht!Und das ist genau richtig!

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  • 5 Sterne

    Janina O., 25.05.2024

    Als Buch bewertet

    Wow, was für ein Buch! Es ist lange her, dass mich ein Buch so mitgerissen und bewegt hat und ich am Ende erst einmal durchatmen musste. Ja, die Geschichte und ihr Verlauf sind natürlich rein fiktional und überspitzt, aber mit dem Kern der Wahrheit trifft Mareike Fallwickl wieder mitten ins Schwarze. Vielleicht muss man manchmal das „Was wäre wenn?“ etwas aufbauschen, um den gegenwärtigen Ist-Zustand mehr in den Fokus zu rücken von denjenigen, die so gern die Augen vor der Wahrheit verschließen. Denn Fakt ist, vieles läuft nicht richtig und ist alles andere als gerecht.
    Mareike Fallwickl spricht Themen an, die brisant sind, über die aber gesprochen werden muss: Welchen Wert hat Care-Arbeit hierzulande? Sollte sie nicht als Grundlage jedes funktionierenden Miteinanders mehr wertgeschätzt werden? Und wie kann es dann sein, dass Menschen, die sich kümmern, immer öfter alleine dastehen und durch die Maschen des Systems fallen? Noch so ein Thema: billige Arbeitskräfte. Wie ist es möglich, dass manche Menschen tagtäglich bis zum Umfallen schuften, aber sich kaum die Wurst auf dem Brot leisten können? Weitere Themen unserer Zeit wie häusliche Gewalt, Unterdrückung, festgefahrene Rollenbilder, Hass im Netz, Selbstliebe und Selbsthass weiß die Autorin hier mit einem beeindruckenden Gespür beim Namen zu nennen. Alles keine leichte Kost.
    Und doch ist das Buch bei all dem nicht desillusionierend. Ganz im Gegenteil, es macht sogar Mut und weckt die Hoffnung auf Veränderung und Zusammenhalt. Das mag jetzt seltsam erscheinen, aber lest es am besten selbst. Ich kann es euch nur empfehlen.
    Für mich wäre „Und alle so still“ übrigens die perfekte Schullektüre. Das Buch und die Diskussion dahinter würde vielleicht dem einen oder anderen Jugendlichen/jungen Erwachsenen die Augen öffnen und einen ganz neuen Blickwinkel auf die Dinge bescheren.

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  • 5 Sterne

    Daniela K., 19.04.2024

    Als Buch bewertet

    Nach "Die Wut die bleibt" hat Mareike Fallwickl - neben ihren ebenfalls bisher erschienen Romanen "Dunkelgrün fast schwarz" und "Das Licht ist hier viel heller" - einen neuen, aufwühlenden Roman hervorgebracht.
    Die Autorin zeigt in ihrem Roman auf, was passieren würde, wenn die Frauen ihre Sorgearbeit und sich, wortwörtlich, niederlegen würden.
    Wir begleiten Ruth - eine engagierte und kompetente Krankenpflegerin am Rande ihre Kräfte mit schwerem Schicksal,
    Elin - die junge Influencerin, welche für ihren Körper geshamed wird und welcher Gewalt angetan worden ist sowie
    Nuri - ein junger Migrantensohn, welcher auch, wie alle weiblichen Personen, im Patriarchat um sein Gesehen werden und Überleben kämpft. Den jeweiligen Protagonist:innen sind abwechselnd Kapitel aus deren Sicht zugeordnet. Die Erzählstränge verknüpfen sich aber recht schnell um das Gesamtbild zu vervollständigen.
    Als weiteres Stilmittel etabliert die Autorin kleine Zwischenkapitel, welche von einer Pistole, der Gebärmutter und der Berichterstattung handeln.
    Das Buch wühlt viele Emotionen beim Lesen auf, da eine Wand an Ungerechtigkeiten, Fassungslosigkeit und Entsetzen auf die Leser:in einprasselt. Die Tatsache dass die Handlung an sich eine fiktionale ist, aber der lesenden Person bewusst wird, dass mehrere der Schilderungen der Realität entsprechen hinterlässt eine Schwere.
    Im Nachwort erläutert die Autorin dass der Roman "Die Wut, die bleibt" die derzeitige Realität beschreibt und der vorliegende Roman die Möglichkeit einer Veränderung für die Zukunft darstellt

    Für dieses - und alle anderen Bücher der Autorin - spreche ich eine ganz klare Leseempfehlung aus! Mareike Fallwickl leistet einen großen Beitrag in der Gesellschaft mit ihrer Literatur und JEDE:R sollte "die Wut die bleibt" und "und alle so still" lesen um zu verstehen.

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  • 5 Sterne

    lustaufbuch, 10.04.2024

    Als Buch bewertet

    «Ich bin daran beteiligt, Nuri. Und weil ich mitmache, weil alle immer mitmachen, ändert sich nichts.»

    Eine bis dahin unbekannte Protestform etabliert sich. Das besondere dabei, es werden keine Forderungen gestellt, keine Schilder gebastelt und es wird nichts geschrien. Einzig bemerkbar sind Frauen, die auf der Straße liegen und sogleich sämtliche Arbeit und Pflichten ruhen lassen sowie Männer, die nichts mehr verstehen und ab jetzt auf sich allein gestellt sind. Und alle so still …

    Wir begleiten Elin, eine junge Frau – Influencerin, Ruth, deren bisher unbekannte im Krankenhaus arbeitende Tante und Nuri, einen sich in verschiedenen Jobs verausgabenden jungen Mann, geprägt von Selbstzweifeln.
    Dabei gelingt es Mareike Fallwickl, jedes erzählte Schicksal für sich alleine stehen zu lassen und zugleich mit den anderen zu verweben.

    Der Roman erstreckt sich über acht Tage und wird aus den Sichtweisen der drei Protagonisten erzählt. Doch neben diesen gibt es noch drei weitere Perspektiven, die den Leser zuerst ratlos zurücklassen: Die Pistole, die Berichterstattung und die Gebärmutter. Aufgrund der unterschiedlichen Blickrichtungen erlebt der Leser die geschilderten Erlebnisse möglichst intensiv. Es ist manchmal nicht leicht, einfach weiterzulesen, sondern man stockt, hält inne, denkt über bestimmte Schilderungen nach und ist entsetzt. Doch das Schlimmste daran ist, man realisiert, dass dieses Buch zwar eine fiktionale Geschichte erzählt, viele der Begebenheiten es jedoch keinesfalls sind, sondern jedem bekannt, aber oft nicht bewusst sind.

    Ein Buch, das bewegt, schockiert und dadurch viel zum Nachdenken anregt – ein äußerst wichtiger Roman, den es zu lesen lohnt und der noch lange nachhallen wird!

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  • 5 Sterne

    Leser100, 04.05.2024

    Als Buch bewertet

    „Und alle so still“ ist ein wütendes Buch über die Ausuferung der Ungerechtigkeiten unserer aktuellen Gesellschaft. Vor allem die Ausbeutung der Frauen, die tagtäglich unbezahlte Arbeit verrichten und auch in der Arbeitswelt meist schlechter gestellt sind als ihre männlichen Kollegen werden in diesem Roman thematisiert. Aber auch die prekären Verhältnisse von Flüchtlingen oder Arbeitnehmer im Niediglohnsektor, meist mit gleich mehreren Jobs kommen zur Sprache.
    Gut gefallen haben mir die Zwischeneinschübe von der Pistole, der Gebärmutter und der Berichtserstattung, die aus einer ganz eigenen Sicht über die Dinge erzählen. Sprachlich und stilistische fand ich das Werk sehr gelungen. Auch den thematisieren Problembereichen stimme ich größtenteils zu, kann sie teilweise sogar aus meiner eigenen Erfahrung allzu gut nachvollziehen. Unglaubwürdig fand ich dagegen die Solidarisierung aller Frauen zu einer scheinbar homogenen Gruppe, die sich über ihr Vorgehen und Ziele einig ist. Dadurch wirkt der Roman sehr konstruiert, da ich mir so eine Situation in der Realität überhaupt nicht vorstellen kann.
    Insgesamt hat die Autorin einen durch und durch aktuellen Roman geschrieben, die die Probleme und das Lebensgefühl unserer Zeit vollkommen erfassen.

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  • 4 Sterne

    Eternal-Hope, 03.06.2024

    Als Buch bewertet

    Was würde passieren, wenn alle Frauen die Arbeit - bezahlt wie unbezahlt - niederlegen würden?

    Mareike Fallwickl kann schreiben. Richtig, richtig gut. Jede Formulierung punktgenau, wunderschöne Sprachbilder, vielschichtige, lebensnahe und sich weiter entwickelnde Charaktere, spannende Szenen. Dazu richtig interessante Themen, mit einem Gespür für den aktuellen Zeitgeist und für die Themen, die dran sind und weh tun. Damit ist die Autorin so viel mehr als eine Schriftstellerin, sie ist auch eine politische Aktivistin, und das wird in ihren Büchern spürbar. Feminismus liegt ihr ganz besonders am Herzen, das war auch schon in ihren bisherigen Werken so. Und es sind wichtige Themen, die sie anspricht. In diesem Buch geht es unter anderem um die bezahlte und unbezahlte, oft unsichtbare und wenig wertgeschätzte Care-Arbeit von Frauen.

    Die Autorin entwirft ein Szenario, in dem Frauen beginnen, vor Erschöpfung diese Arbeit - und sich selbst - niederzulegen. Ein stiller Protest, ohne Plakate, ohne Parolen, ohne ausgesprochene Forderungen... die Frauen liegen einfach still auf dem Boden, anfangs vor einem Krankenhaus, später auch an vielen anderen Orten. Und sie schließen sich zusammen, zu einem solidarischen Frauenkollektiv, das füreinander da ist, miteinander wohnt, kocht, die Kinder versorgt, einander beschützt und tröstet. Während gleichzeitig draußen in der Welt immer mehr zusammenbricht, weil all die Frauen und ihre Care-Arbeit fehlen. Und was passiert dann, wird der stille Widerstand und das Verweigern der Frauen einfach so akzeptiert?

    Dieses Szenario erleben wir abwechselnd durch die Augen von drei miteinander lose verbundenen Personen: der jungen Influencerin Elin, der barmherzigen und unerschütterlich bis nah an den eigenen Zusammenbruch im Krankenhaus die Stellung haltenden Krankenpflegerin Ruth und des prekär beschäftigten, um sein Überleben kämpfenden jungen Mannes Nuri, Sohn einer Sri-Lankerin und eines Einheimischen. Und wir lernen auch so einige andere interessante Menschen, hauptsächlich Frauen, im Roman kennen.

    Das Buch beschäftigt sich außerdem mit der ständigen Unsicherheit, die Frauen im öffentlichen Raum erleben müssen, mit diversen Formen von psychischer, körperlicher und sexueller Gewalt von Männern gegen Frauen, mit Klassismus und sozialer Marginalisierung, mit alten und neuen Frauenbildern, verschiedenen Vorstellungen von Emanzipation und Feminismus, Staatsgewalt und Missbrauch dieser und vielem mehr. Was diese Themen angeht, ist das Buch vielschichtig, sehr intelligent konstruiert und regt zum Denken an. Auch emotional wird es sicher noch alle nachhallen.

    Einen Stern Abzug gebe ich für das doch sehr einseitig und klischeehaft-negativ geprägte Männerbild, das in dem Buch vermittelt wird. Es kommen nur vereinzelt "gute" Männer vor, die selbst marginalisiert und dadurch kritisch sind, wie Nuri, oder sich aus anderen Gründen mit den Frauen solidarisieren und diese unterstützen. Die Mehrheit der Männer wird aber als jähzornig, ständig am Rande eines Gewaltausbruchs wandelnd, ignorant für alles außer die eigene Lebenswelt, narzisstisch und selbstverliebt, selbstdarstellerisch und gleichzeitig ziemlich minderbemittelt dargestellt (Männer, die in Massen von Leitern fallen und sich mit der Axt ins Bein hacken oder sich beim Kochen mit heißem Wasser verbrühen, nur weil keine Frauen mehr da sind, um sie bei der Arbeit zu unterstützen). Das reißt auch ein einzelner Nuri für mich nicht raus, und das war mir deutlich zu einseitig und eindimensional, hier hätten das Buch und die Autorin noch Potential zur Entwicklung und Differenzierung... dann könnten dieses und weitere Bücher auch noch viel mehr Menschen emotional mitnehmen.

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  • 4 Sterne

    Lydia S., 02.06.2024

    Als Buch bewertet

    Mareike Fallwickl hat wieder einmal zugeschlagen. Mit Worten. Ihre Romane sind immer ein Schlag in die Magengrube. Schon bei "Die Wut, die bleibt" habe ich fast körperlich auf ihre Worte reagiert. Ein Kloß im Hals und Wut im Bauch. "Und alle so still" hat mich wieder genauso hart getroffen.

    Fallwickl stößt hier einen Gedanken an, den ich bisher nicht in dieser meerscharfen Klarheit zuende gedacht habe: Was passiert, wenn Frauen von jetzt auf gleich alle Care-Arbeit niederlegen und sich einfach verweigern?! Wenn das, was seit Jahrhunderten gesellschaftlich als völlig "normal" angesehen wird, plötzlich einfach nicht mehr stattfindet? Mir hat dieses Gedankenexperiment in seiner unglaublichen Radikalität eine Gänsehaut nach der anderen beschert. Gerade Ruth, die sich aufopfernde Krankenschwester, hat es mir besonders angetan. Ruth, die ihren behinderten Sohn pflegte und sich dadurch ins gesellschaftliche Aus katapultierte. Weil eine vermeintliche "Normalität" uns so sehr bestimmt, dass wir davon abweichende Realitäten und Lebensverläufe gar nicht zulassen und mitdenken können. Ich weiß genau wovon Ruth spricht. Aus eigener, familiärer und beruflicher Erfahrung. Oder Nuri, der in absolut prekären Verhältnissen lebt und sich von einem miesen Job zum nächsten schleppt, um irgendwie zu überleben - auch vor dieser Realität verschließen wir nur zu gerne die Augen.

    Klar, nun könnte man fragen, warum Fallwickl das alles mit dem literarischen Holzhammer erzählen muss? Denn ihre Bücher sind unglaublich schmerzhaft und ja, in gewisser Hinsicht auch belehrend. Weil meiner Meinung nach eine "nette" Geschichte einfach nicht mehr ausreicht. Es gibt unzählige Geschichten, die genauso viel bewirken wie das Klatschen für die Pflege in der Pandemie. Man klatscht, dreht sich um und macht weiter mit dem eigenen Kram. Fallwickels Romane sind radikal, sie gehen einen Schritt weiter (vielleicht auch einen zu weit) und denken um die Ecke. Das bleibt in Erinnerung, das lässt einen nicht so schnell los. Mich jedenfalls nicht.

    Für mich war "Und alle so still" jedoch weniger ein Roman, als vielmehr ein Theaterstück. Das ist auch mein einziger Kritikpunkt. Die Figuren wirken ein wenig wie Schablonen oder Marionetten, die für diesen oder jenen Zweck auf die Bühne gestellt und verschoben werden. Man schaut von außen auf ihre Handlungen, aber bekommt sehr wenig von ihren Gedanken, Gefühlen und individuellen Entwicklungen mit. In diesem Fall heiligt der Zweck die Mittel, aber insgesamt war mir der Text als Roman ein wenig zu fragmentarisch. Auf einer Bühne würde er hingegen fantastisch funktionieren.

    Lest alle diesen Roman oder geht ins Theater (denn ich wünsche mir unbedingt eine Bühnenversion davon!)! Die angesprochenen Themen sind einfach zu wichtig und groß, um nicht wieder und wieder und wieder aufgegriffen zu werden. Fallwickl macht das auf sehr radikale, aber auch berührende Art und Weise. Ich habe so viele Male einen dicken Kloß im Hals und Tränen in den Augen gehabt. Oder vor Wut gezittert. Genau das wollen wir doch von Literatur, oder nicht?

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  • 5 Sterne

    Barbara H., 02.05.2024

    Als Buch bewertet

    Alle so still ist wie die notwendige Fortsetzung von "die Wut die bleibt"

    Was wäre wenn sich alle Frauen still am Boden hinlegen würden? Das Buch gibt eine Antwort darauf und beschreibt aus Sicht einer Influenzerin, deren Tante die Krankenschwester ist und einem Asylanten der mit minderwertigen Jobs versucht sein überleben zu sichern.

    Mich hat das Buch an so vielen Stellen fertig gemacht. Es hat mich eingenommen. Die Hauptcharaktete werden so stark beschrieben, dass man mit ihnen fühlt und mit ihnen kämpft. Mareike Fallwickl stellt ihre gigantischen Fähigkeiten mit Worten umzugehen wieder unter Beweis. Dabei ist ein so kraftvolles und gleichzeitig weibliches Buch entstanden. Es ist eine reine Homage an alle Frauen die täglich unglaubliches Leisten und ein wachrütteln der Männer. Was mir sehr gut gefallen hat ist, dass es auch zeigt, dass es durchaus auch Männer gibt die auf der Seite der Frauen stehen.

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  • 5 Sterne

    Michaela F., 04.05.2024

    Als eBook bewertet

    "Und alle so still" von Mareike Fallwickl ist ein packendes Buch, das aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird. Elin, die Influencerin, Nuri, der jeden Job annimmt, den er bekommen kann, und Ruth, die sich in ihrem Job als Krankenschwester aufopfert, sind alle unterschiedlich und doch kreuzen sich ihre Wege auf unerwartete Weise. Als Frauen plötzlich vor dem Krankenhaus einfach nur liegen.
    Es soll deutlich werden, wie sehr das System auf die unbezahlte Fürsorgearbeit von Frauen angewiesen ist. Das Buch berührt und erschüttert zugleich. Es zeigt auf eindringliche Weise die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft und wie schnell das System zusammenbrechen könnte, wenn diese Arbeit nicht mehr geleistet würde.

    Ein eindringlicher Blick auf die unbezahlte Care-Arbeit der Frauen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft.

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  • 4 Sterne

    caro_phie, 03.06.2024

    Als Buch bewertet

    Ich hätte es so gerne geliebt

    Sie liegen da vor dem Krankenhaus. Viele Frauen. Wie Blumen, denen das letzte Wasser entzogen, die letzten Nährstoffe genommen wurden, eingeknickt ohne einen Laut. Sie rufen nichts, sie erklären sich nicht. Denn was gibt es denn da noch zu erklären, wo alles schon so viele Male gesagt wurde?

    Ein stiller Protest, eine solidarische Aktion vieler Frauen, die wie ein Lauffeuer um sich greift. Sie legen die Arbeit nieder und innerhalb weniger Tage beginnt das System zu wanken, denn baut es nicht auf der unter- und unbezahlten Arbeit so vieler Frauen? Voller Wut und gleichzeitig Hoffnung verfolgt Mareike Fallwickl dieses Gedankenexperiment.

    Es ist ein erstaunliches, schockierendes Buch. Ein Buch, das mich auf wenigen Seiten so viel gelehrt hat, so viele Perspektiven vereint und denen eine Stimme gibt, die insbesondere durch Mehrfachmarginalsierung oft keine haben. Es ist ein wichtiges Buch und so gerne würde ich es uneingeschränkt empfehlen.

    Aber leider konnte mich Mareike Fallwickl weder von der Sprache noch mit ihren Charakteren ganz abholen. Viele Konversationen kamen mir unnatürlich vor, viele der Szenen zu konstruiert. Vielleicht ist es Absicht? Vielleicht soll das Buch wie eine Traumsequenz wirken, denke ich, als ich es zuklappe. Doch für mich hat es eher bewirkt, dass eine Distanz zwischen mir und den Hauptcharakteren blieb, die es schwerer machte mit ihnen zu fühlen.

    Und so schwingt in all den Momenten, in denen ich in den darauffolgenden Tagen an das Buch zurückdenken muss - denn losgelassen hat es mich bisher nicht und wird es auch so schnell nicht - immer auch ein leichtes Gefühl der Enttäuschung mit.

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  • 4 Sterne

    lisbethsalander, 03.05.2024

    Als Buch bewertet

    Wichtiges Thema - interessant umgesetzt

    Da ich ein großer Fan der Autorin bin, war ich natürlich sehr gespannt auf das neuste Buch von Mareike Fallwickl! In "Und alle so still" packt sie ein sehr brisantes und in meinen Augen immer wichtiger werdendes Thema an: all die vielen gesichtslosen Menschen, die aufgrund unterschiedlicher, meist nicht von ihnen selbst verschuldeten Gründen, zu den Unterprivilegierten in unserer Gesellschaft gehören und nicht oder kaum am "normalen Leben" teilnehmen, sondern einzig und allein mit einem oder mehreren Jobs verzweifelt versuchen, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Doch da die Schere immer weiter aufgeht, gelingt ihnen dies immer schlechter. Die drei im Mittelpunkt dieses Romans stehenden Charaktere sind alle zu unterschiedlichen Teilen und auf andere Art und Weise an diesem gesellschaftlichen System beteiligt und leiden mehr oder weniger unter dessen Missständen. Doch am Tag X machen sie das Spiel nicht mehr mit und beginnen friedlich zu streiken, indem sie sich verweigern. Der Plot, den Mareike Fallwickl hier entworfen hat, hat mir sehr gut gefallen. Trotzdem blieben mir ihre Protagonistinnen seltsam fremd, ich bin ihnen leider durchweg nicht wirklich nahe gekommen. Der Schreibstil ist einmalig und faszinierend, doch teilweise auch etwas sperrig. Trotz der Kritikpunkte ist es ein wichtiges Buch, dem ich aufgrund seiner Brisanz zahlreiche Leser wünsche!

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  • 4 Sterne

    Jürg K., 19.04.2024

    Als Buch bewertet

    An einem Sonntag liegen alle Frauen auf der Strasse, reglos in stillem Protest. Bei diesem Protest lernen sich Elin, Nuri und Ruthkennen. Elin ist eine erfolgreiche Influencerin, ihr ist etwas zugestossen, sie weiss nicht, ob es Gewalt war. Nuri hat die Schule abgebrochen und schlägt sich als Fahrradkurier, Bettenschubser und Barkeeper durch. Ruth arbeitet im Krankenhaus als Pflegefachkraft, deren Pflichtgefühl unerschöpflich ist. Nun steht alles infrage vorauf unser System baut. Dies weil die Frauen nicht mehr das tun was sie immer getan haben. Ich finde, dass dieses Buch eine wichtige Botschaft an alle richtet. Das Buch liest sich von Beginn an gut. Die Handlung und die Auswirkungen sind sehr gut beschrieben. Die Schilderungen sind direkt und vielleicht fast zu fiktional. Doch man kann einiges mitnehmen was zum Nachdenken anregen sollte. Dieses Buch hat mich sehr berührt und ich kann es nur weiter empfehlen. Es ist ein Gesellschaftsroman über Widerspruchsgeist und Solidarität.

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  • 3 Sterne

    Lena, 10.04.2024

    Als Buch bewertet

    Elin ist Influencerin, die sich mit Hasskommentaren im Netz konfrontiert sieht. Willkürlich schläft sie mit fremden Männern, um ihre innere Leere zu füllen, für die schnelle Befriedigung, aber ohne Liebe.
    Nuri stammt aus einer Arbeiterfamilie von Migranten, hat rebelliert und die Schule abgebrochen und kämpft sich Tag und Nacht mit diversen schlecht bezahlten, oft entwürdigenden, Jobs durchs Leben, um genügen Geld zu verdienen, um Freiheit zu erlangen.
    Ruth arbeitet als Pflegekraft in einem Krankenhaus, leistet unzählige Überstunden und ist trotz körperlicher Erschöpfung mit ihrem Herzen dabei.
    Die drei begegnen sich an einem Sonntag im Juni, als eine Vielzahl von Frauen aufhört, die von ihnen als selbstverständlich erachtete Arbeit zu leisten und sich still vor ein Krankenhaus auf den Boden legen.
    Kann dieser Akt der Rebellion etwas ändern? Werden Frauen endlich gehört werden? Wird Arbeit in sozialen Berufen und Care-Arbeit endlich gerecht vergütet werden? Wird endlich etwas gegen die Gewalt gegen Frauen getan werden?

    Der Roman wirft wichtige Fragen nach der Wertschätzung von sozialer Arbeit auf, die naturgemäß mehrheitlich von Frauen geleistet wird. Die einzelnen Kapitel aus Sicht der drei Hauptfiguren sind unterbrochen durch
    interessante Einschübe aus Sicht der Pistole, der Gebärmutter und der Berichterstattung, die personalisiert werden. Diese Ansichten sind pointiert und bitterböse, aber einfach nur ehrlich formuliert.

    Die Geschichte handelt von einem spontanen Stillstand. Frauen sind von ihrer Arbeit und sind es leid für ihre Rechte zu kämpfen, die selbstverständlich sein sollten. Es ist ein stiller Protest ohne Forderungen, ohne Plakate und Parolen. Die Frauen machen nicht mehr das, was sie immer machen und stürzen damit die Gesellschaft in Chaos.

    Neben der Situation in der Pflege, geht es auch um die Undurchlässigkeit sozialer Schichten auch mit noch so großer Anstrengung und um die (sexuelle) Gewalt an Frauen.

    Die prekäre Situation im Gesundheitswesen nimmt dabei eine große Rolle ein. Sehr detailliert werden die Aufgaben von Ruth als Krankenschwester beschrieben, dass phasenweise das Gefühl aufkommt, ein Sachbuch über die Vielzahl an Missständen in Krankenhäusern zu lesen.
    Im Gegensatz dazu werden die Auswirkungen der Frauenrevolte auf Politik, Wirtschaft und Medien nur rudimentär thematisiert.

    Es fällt mir schwer das Buch zu bewerten, denn ich mag den Schreibstil und die schonungslos ehrlichen Worte. Auch ist die Idee eines stillen Protests und was Frauen bewirken können, wenn sie sich zusammenschließen und in ihrer Gesamtheit gewichtig sind und gehört werden müssen, ist im Vergleich zu einem feministischen Kampf neuartig.
    Dass der Roman keine Wohlfühlgeschichte werden würde, ist auch klar. Mir fehlte trotzdem ein wenig Leichtigkeit und ein Ziel, wo die Geschichte hinführen sollte. Chaos und dann?
    Darüber hinaus fand ich die Geschichte mit einer Verteufelung aller Männer zu einseitig schwarz-weiß gefärbt.
    In dem Buch werden viele Probleme treffend und zurecht angeprangert. Mir fehlte dabei jedoch die für eine Roman nötige Unterhaltung und Spannung und nahbare Charaktere, die die Geschichte lebendiger gemacht hätten. Die Umsetzung ist anstrengend, fast schon aggressiv und endet unbefriedigend ohne einen Ausblick auf eine Lösung, geschweige denn Besserung.

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